„Aufforstung gegen den Klimawandel“ – Im Gespräch mit Dr. Christoph Schünemann

Jeder sollte im Leben einen Baum pflanzen, so sagt man. Christoph Schünemann kann diesen Punkt längst von seiner To-do-Liste streichen – bei ihm ist es ein ganzer Wald geworden. Im Sommer 2012 ersteigerte er 16.000 Quadratmeter Land nördlich von Dresden und startete sein persönliches Aufforstungsprojekt. Damit möchte Schünemann, wie er sagt, einen eigenen kleinen Beitrag für eine ökologische Welt beisteuern und zeigen, dass private Aufforstungen funktionieren, sinnvoll sind und sogar Spaß machen.

Dr. Christoph Schünemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energietechnik der TU Dresden und Experte für Erneuerbare Energien. Auf seiner Webseite regenerative-zukunft.de möchte er seinen Lesern „ein Grundwissen über Energieerzeugung, effiziente Energienutzung, Ökologie und globalen Klimawandel“ vermitteln. Dabei legt er Wert auf eine unabhängige und wissenschaftlich fundierte Betrachtung des Themenfeldes Energiewende. Wir haben mit dem engagierten Waldbesitzer über seine Do-it-Yourself-Aufforstung, seine Motive und Parallelen zum Crowdfunding-Projekt Miller Waldenergie gesprochen.

Econeers: Herr Schünemann, Sie beschäftigen sich an der Technischen Universität Dresden mit erneuerbaren Energien. Wie ist vor diesem Hintergrund die Idee entstanden, ein eigenes Waldstück aufzuforsten?

Schünemann: Dafür gab es mehrere Gründe: Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Klimawandel sind eng miteinander verbunden. Das Beste, was man gegen den Klimawandel unternehmen kann ist, Wälder aufzuforsten und weniger Energie zu verbrauchen. Erneuerbare Energien tragen natürlich auch wesentlich zum Klimaschutz bei. Mit meinem Projekt wollte ich herausfinden, inwiefern eine Waldaufforstung als Privatmann in Deutschland überhaupt möglich ist. Dabei musste ich schnell feststellten, dass es sehr schwierig ist, geeignete Flurstücke zu finden. Selbst wenn man ein ungenutztes Stück Land ausfindig gemacht hat, muss man erstmal den zugehörigen Besitzer ermitteln, was oft sehr aufwändig ist. Glücklicherweise bin ich dann auf eine Bodenverwertungsgesellschaft gestoßen, die Flurstücke über Auktionen versteigert. Und das hat geklappt. Die Grundidee war, wirklich effektiv etwas gegen den Klimawandel zu tun und nicht nur auf meiner Webseite darüber zu schreiben. Außerdem war das Waldprojekt für mich eine tolle Abwechslung zur täglichen Büroarbeit.

Econeers: Wie nutzen Sie Ihren Wald? Ist er mittlerweile für Sie auch ein Erholungsort geworden?

Schünemann: Es gibt noch ziemlich viel zu tun, sodass ich praktisch immer eine Beschäftigung finde. Aber für mich ist die Arbeit in der Natur auf jeden Fall auch Erholung. Es ist wie ein großer Garten. Das Grundstück besteht zum einen aus einem Hektar Mischwald – aus Hainbuche, Eiche, Erle und allen möglichen wild gewachsenen Baumarten. Zum anderen aus 0,6 Hektar Aufforstungsfläche, auf der ich mich quasi frei austoben konnte. Dort wachsen heimische Pflanzenarten, z.B. der Vogelbeerbaum, Wildkirsche, Wildbirne oder Wildapfel.

Econeers: Woher haben Sie das forstwirtschaftliche Wissen, das für die Umsetzung so eines Projekts notwendig ist?

Schünemann: Das war schon eine Herausforderung. Vor allem die Holzverwertungskette ist komplizierter als man vielleicht denken könnte. Da tun sich viele Fragen auf: Wer übernimmt das Fällen der Bäume? Macht man es selbst ohne Erfahrung oder holt man sich professionelle Unterstützung. Wie bekommt man die gefällten Bäume aus dem Wald? Wie transportiert man sie ab? Welches Sägewerk verarbeitet sie? Wir haben gerade z.B. immer noch Probleme, ein Sägewerk zu finden, dass die Kapazitäten hat, einige Bäume, die einem Wirbelsturm zum Opfer gefallen sind, zu verwerten. Das Aufforstungswissen habe ich mir komplett angelesen. Welche heimischen Baumsorten an welchen Standorten gepflanzt werden, weiß ich aus der entsprechenden Literatur. Das war sozusagen mein Hobby während der letzten zwei Jahre.

Econeers: Wo sehen Sie bei Ihrem Projekt den ökologischen Mehrwert?

Schünemann: Bäume speichern bekanntermaßen während ihres Wachstums CO2 aus der Atmosphäre und wirken damit direkt dem Klimawandel entgegen. Außerdem sind Wälder extrem wichtig für die Artenvielfalt. Ich habe bei meiner Aufforstung deshalb darauf geachtet, Artenreichtum an Pflanzen sicherzustellen. Es ist natürlich nur ein sehr kleines Stück Land aber eben doch ein positiver Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz.

Econeers: Wie steht es denn generell um den deutschen Wald? Brauchen wir hierzulande mehr Aufforstungsprojekte wie Ihres?

Schünemann: Ja, mehr Aufforstungen und vor allem mehr Renaturierungsprojekte, also die Wiederherstellung der natürlichen Artenvielfalt. Im Erzgebirge beispielsweise gibt es fast nur noch Fichtenwälder, früher war es ein Mischwald aus Weißtannen, Bergahorn und vielen weiteren Sorten. Mittlerweile hat man dieses Problem dort auch erkannt und forstet die heimischen Arten wieder auf. Meist sind Aufforstungen Monokulturen. Das hat den einfachen Grund, dass es schneller geht und unkomplizierter ist.

Econeers: In weiten Teilen Südamerikas ist die massive Zerstörung von Waldflächen immer noch an der Tagesordnung. Wie schätzen Sie das Ausmaß ein?

Schünemann: Ich habe es leider noch nicht geschafft, mir selbst eine Bild von der Lage vor Ort zu machen. Anhand von Satellitenaufnahmen schätze es aber sehr drastisch ein, denn der Amazonas ist das größte und artenreichste Regenwaldgebiet der Erde. Zudem ist der Regenwald als Ökosystem extrem sensibel. Deshalb ist die Situation in Südamerika deutlich kritischer als hier in Deutschland. Der Wald wird ja vor allem zerstört, um Agrarflächen zur Land- und Viehwirtschaft für den Export zu schaffen. Dieser Bedarf an Anbau- und Weideflächen besteht in Deutschland nicht.

Econeers: Bei dem Projekt von Miller Forest, das gerade bei Econeers im Funding ist, wird auf 25 Hektar nachhaltig Energieholz produziert, das von der regionalen Wirtschaft als Energieträger benötigt wird. Wie beurteilen Sie dieses Konzept?

Schünemann: Ich finde das Konzept sehr gut. Vor allem die regionale Nutzung des Holzes zur Energiegewinnung ist sehr vernünftig. Das sollte viel häufiger der Fall sein. So werden weite Transportwege vermieden und die Wertschöpfung bleibt bei den Menschen in der Region. Außerdem ist Holz ein deutlich umweltverträglicherer Energieträger als Kohle oder Erdöl, da bei der Verbrennung praktisch nur die Menge an CO2 freigesetzt wird, die während des Wachstums gebunden wurde. Natürlich wäre es aus meiner Sicht besser, wenn nicht ausschließlich Eukalyptus, sondern auch andere Baumarten angepflanzt würden. In Puncto Artenvielfalt sehe ich also noch Verbesserungspotenzial, aber die Aufforstung an sich ist schon sehr lobenswert. Eukalyptus hat im Vergleich zu anderen Holzarten einen sehr kurzen Wachstumszyklus. Für mich ist dieses Projekt ein guter Kompromiss aus Wirtschaftlichkeit und ökologischem Mehrwert. Ich verstehe, dass man für ein Projekt, das Investoren sucht, einen wirtschaftlichen Anreiz braucht. Mein Waldprojekt z.B. kann niemals den Anspruch erfüllen, wirtschaftlich zu sein. Aber es ist ja auch eher ein idealistisches Hobby.

Econeers: Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Schünemann, und weiterhin alles Gute für Ihr Waldprojekt.

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