Bundesweite Solarpflicht – entbehrliche Bürde oder Rettungsanker für den Klimawandel?

Inhaltsverzeichnis:

  1. Was genau bedeutet Solarpflicht?
  2. Wer zahlt die Klima-Maßnahme und welche Förderungen gibt es?
  3. Wo in Deutschland gilt bereits eine Solarpflicht?
  4. Kommt die Solarpflicht bald auch bundesweit?
  5. Welche Vor- und Nachteile bringt die Solarpflicht mit sich?
  6. Fazit: Ist die Solarpflicht sinnvoll, um das Ziel des Ausbaus der erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben?

Klimaneutralität bis 2045? Deutschlands Gesetzesvorgaben sind sogar noch ambitionierter als die der EU. Dennoch wird es laut dem Projektionsbericht 2021 des Bundesumweltministeriums mit den bisher beschlossenen Maßnahmen kaum möglich sein, dieses Ziel innerhalb der dafür vorgegebenen Zeit zu erreichen, wenn nicht weitere Regelungen folgen. Dem fortschreitenden Ausbau der erneuerbaren Energien wird zu diesem Zweck viel Bedeutung beigemessen. Das Potenzial der regenerativen Energieträger soll in den kommenden Jahren bestmöglich genutzt werden. Insbesondere die Idee der allgemeinen Solarpflicht wird dabei verstärkt fokussiert und politisch diskutiert. Kommunen und sogar ganze Bundesländer gehen mit gutem Beispiel voran und haben bereits eine solare Baupflicht verabschiedet. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht eine Solarpflicht auf Bundesebene ebenfalls auf dem Plan.

1. Was genau bedeutet Solarpflicht?

Die Solarpflicht oder auch solare Baupflicht bezeichnet eine Regelung zum Einbau von Photovoltaikanlagen oder Solarthermie auf Neu- und Bestandsgebäuden. Ziel ist die Förderung des Ausbaus der regenerativen Energien als wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Eigentümern wird damit vorgeschrieben, Neu- und Bestandsbauten mit solarthermischen oder Photovoltaikanlagen zu versehen. Dabei stehen häufig PV-Anlagen im Fokus. Es steht den Hausbauern frei, ob die Anlagen auf dem Dach, auf einer freien Fläche oder integriert in die Fassade des Gebäudes installiert werden. Der Vorteil von Solarenergie liegt auf der Hand: Die Solarmodule verwandeln das Sonnenlicht in elektrische Energie – umweltfreundlich und CO2-neutral. Aktuell ist die Solarpflicht jedoch nur in einzelnen Bundesländern und Kommunen beschlossen.

2. Wer zahlt die Klima-Maßnahme und welche Förderungen gibt es?

Die Kosten, die auf Immobilienbesitzer zukommen, umfassen den Preis der Solarzellen, der Installation und den Erwerb von Batteriespeichern. Da es derzeit noch eine Einspeisevergütung von 7,69 Cent pro Kilowattstunde Strom gibt, lohnt es sich eher früher als später in das Solargeschäft einzusteigen, da die feste Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kontinuierlich gesenkt wird. Die durchschnittlichen Mehrkosten für ein Einfamilienhaus belaufen sich durch die Solarpflicht auf 10.000 bis 20.000 Euro. Nach aktuellen Berechnungen können dank der Kombination aus Einspeisevergütung und Stromersparnis die Investitionskosten für PV-Anlagen oder Solarthermie nach ca. zehn Jahren ausgeglichen werden. Bei weiteren Förderungen ist mit einem noch kürzeren Amortisationszeitraum zu rechnen. Es wird argumentiert, dass sich die Ausgaben ohnehin lohnen, da die Hauseigentümer den erzeugten Strom einspeisen oder selbst verbrauchen können.

Zur Förderung des Ausbaus der Solarenergie und der damit angestrebten Entschleunigung des Klimawandels gibt es verschiedene Unterstützungsprogramme sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) beispielsweise umfasst ebenfalls PV-Anlagen. Je nach Ort werden zusätzlich noch Förderungen des Landkreises, der Kommune oder der Stadt angeboten. Die Stadt Bonn z. B. gewährt für den Bau von Solaranlagen einen Zuschuss von 200 Euro pro Kilowatt Peak.

3. Wo in Deutschland gilt bereits eine Solarpflicht?

Die Stadt Waiblingen in Baden-Württemberg gilt als deutscher Pionier in diesem Bereich, da sie bereits im Jahr 2006 eine Solarpflicht für Neubauten einführte. Nachfolger mit zeitlich nicht unerheblichem Abstand ist die Stadt Tübingen, die 2018 eine solare Baupflicht ebenfalls für Neubauten in ihren städtebaulichen Verträgen ergänzte. Wenn wir einen Blick über die Landesgrenzen werfen, gelten neben einigen deutschen Regionen das US-amerikanische Kalifornien, Spanien (die Balearen) und die österreichische Hauptstadt Wien als Vorreiter im weltweiten Vergleich. Doch wie sieht es aktuell in Deutschland aus? Vorn dabei sind die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, in denen eine Solarpflicht ab spätestens 2023 gesetzlich verankert ist. Abgeschwächte Formen der solaren Baupflicht gelten derzeit schon in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Die Regulierung erstreckt sich in diesen Fällen jedoch nicht auf private Hausbauten, sondern erst einmal auf gewerblich genutzte Gebäude und Dächer von Parkplätzen.

Baden-Württemberg ist das erste deutsche Flächenland, welches ab Mai 2022 eine Solarpflicht für Wohn- und Nichtwohngebäude einführt und dies ab Beginn des Jahres 2023 auch auf Dachsanierungen von Bestandsgebäuden ausweitet. Darüber hinaus strebt das Bundesland Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 an – fünf Jahre früher als der Bund und sogar zehn Jahre früher als in den EU-Vorgaben festgesetzt. Als eine wichtige Maßnahme für die termingerechte Umsetzung soll der Fokus weiterhin verstärkt auf den Ausbau der Windkraft gerichtet werden. Des Weiteren sollen zwei Prozent der Fläche des Bundeslandes für Wind- und Solarenergie genutzt werden. Umweltverbände wiederum fordern eine bundesweite Regelung der Nutzung von mindestens drei Prozent der Fläche für die erneuerbaren Energien, um den zukünftigen Energiebedarf decken zu können.

4. Kommt die Solarpflicht bald auch bundesweit?

Als treue Verfechterin einer bundesweiten Solarpflicht – im besten Fall nach baden-württembergischem Vorbild – setzt sich Landesumweltministerin Thekla Walker ein. Anlässlich des Solarbranchentages forderte sie außerdem dazu auf, die Sonnenenergie wieder zum Treiber der Energiewende und damit auch der Verlangsamung des Klimawandels zu machen. Dem widerspricht Jörg Knapp, Leiter des Referats Technik beim Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg: „Auf dem Weg zur Klimaneu­tralität gibt es mehrere Wege, wie zum Beispiel den Einsatz von Wasserstoff als Energieträger oder E-Fuels bis hin zum nachwachsenden Energieträger Holz.“ Den Fokus allein auf die Solarenergie zu legen, ist Knapps Ansicht nach die falsche Entscheidung. Es bedarf gesetzlicher Regelungen, die für diverse Technologien und Energieträger offen sind. Auch der FDP-Landtagsabgeordnete Frank Bonath argumentiert gegen die bundesweite Solarpflicht: „Es braucht keinen staatlichen Dirigismus. Unser Land kann viel, wenn man es lässt.“

Im Koalitionsvertrag greifen die Grünen, FDP und SPD das Thema der bundesweiten Solarpflicht ebenfalls mit auf. Dabei sollen zukünftig alle geeigneten Dachflächen für die Solarenergie genutzt werden, mit der Ergänzung, dass diese Regelung für gewerbliche Neubauten verpflichtend ist, jedoch für private Hausbauer lediglich “zur Regel” werden soll. Mit dieser Ankündigung geht aber auch das Versprechen einher, dass die Rahmenbedingungen wie beispielsweise bestehende bürokratische Hürden und mangelnde Förderungsmöglichkeiten verbessert werden sollen. Der Bundesverband der Solarwirtschaft befürwortet die Vorschläge im Allgemeinen, jedoch hält er eine direkte Solarpflicht eigentlich für unnötig. Laut des Verbands bedarf es in erster Linie klarer Ausbauziele und zunehmender Anreize für Investitionen, um u. a. eine gewisse Planungssicherheit herzustellen. Kritisiert wird zudem, dass die festgelegten Ziele der neuen Regierung nicht ausreichen, um den Solarausbau im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele schnell genug voranzutreiben.

5. Welche Vor- und Nachteile bringt die Solarpflicht mit sich?

Die bundesweite Solarpflicht ist ein heiß umstrittenes Thema. Auf der einen Seite stehen wichtige Argumente im Kampf gegen den Klimawandel, auf der anderen Seite die damit verbundenen Mehrkosten und der Aufwand für die Betroffenen. Um die hochgesteckten Klimaziele des Bundes zu erreichen, wird vor allem der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien forciert. Die Solarpflicht wäre eine effiziente Möglichkeit, die Energiewende zu beschleunigen.

Neben dem herausstechenden Vorteil der Entschleunigung des Klimawandels wird ebenfalls argumentiert, dass sich die Investition in die Solaranlagen auf lange Sicht auch für die Immobilienbesitzer lohnen würde. Je nach Größe des Hauses rentiert sich die Investition in eine Solaranlage bei Eigenheimbesitzern im Schnitt nach 10 bis 14 Jahren. Hinzu kommt die durch die Verwendung von Eigenstrom entstehende Unabhängigkeit von Stromanbietern sowie steigenden Strompreisen. Zudem sind die Anschaffungskosten für die Solartechnik bisher noch nie so niedrig gewesen wie jetzt. Darüber hinaus ergibt es Sinn, dass der Strom dort erzeugt wird, wo er auch verbraucht wird und so zusätzlich eine Entlastung des Stromnetzes bewirkt. Den produzierten Strom können die Hausbesitzer aber nicht nur selbst verbrauchen, sondern auch speichern oder in das öffentliche Netz einspeisen.

Zunehmende Scheu besteht jedoch vor den erhöhten Kosten des Hausbaus, sowohl von Seiten der Bauträger als auch seitens der privaten Hausbesitzer. Viele argumentieren, dass die solare Baupflicht für öffentliche und gewerbliche Neubauten sinnvoller wäre als für private Eigenheime, da aufgrund der größeren Fläche der Dächer ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt wird. Ergänzend dazu werden Verbesserungen der Vorschriften für Speicher, Eigenstrom und den Mieterstrom in kleinen Mehrfamilienhäusern gefordert. Besonders für Eigenheime ist die Amortisationszeit länger und muss ins Verhältnis zu den entstandenen Mehrkosten beim Hausbau, dem steuerlichen Mehraufwand und dem generell schwankenden Ertrag gesetzt werden. Außerdem bedarf es für die Einführung der privaten Solarpflicht zusätzlicher Förderungen. Gegen die uneingeschränkte Solarpflicht spricht auch, dass nicht alle Gebäude und Standorte für die Nutzung von Solaranlagen geeignet sind. Eine weitere Befürchtung ist, dass aufgrund des auferlegten “Solar-Zwangs” die Akzeptanz der Menschen gegenüber den Solaranlagen, welche aktuell noch sehr hoch ist, perspektivisch sinkt. 

Aus der Perspektive der Umsetzbarkeit einer bundesweiten Solarpflicht muss außerdem der entstehende Mehraufwand für die Fachkräfte in die Kalkulation einbezogen werden. Eine Steigerung der Auftragslage in diesem Umfang würde folglich mit dem sowieso schon bestehenden Fachkräftemangel kollidieren. Dies wird unter anderem Handwerker wie Zimmerer, Dachdecker und Gerüstbauer betreffen, welche die Anlagen montieren und abdichten. Florian Jentsch, Landesgeschäftsführer des Dachdecker-Innungsverbandes, gibt zu bedenken: „Ohne ausreichende Fachkräfte im Handwerk wird nämlich auch die geplante Energiewende gewaltig ins Wanken geraten – und seien die ordnungspolitischen Instrumente auf dem Papier noch so stark.“

Vorteile Nachteile
  • Beschleunigung der Energiewende
  • Akzeptanzeinbußen
  • Investitionsrendite 
  • Mehrkosten
  • Stromerzeugung und -verbrauch erfolgen simultan
  • steuerlicher Mehraufwand
  • Unabhängigkeit gegenüber Stromanbietern und steigenden Strompreisen
  • Verschärfung des Fachkräftemangels

6. Fazit: Ist die Solarpflicht sinnvoll, um das Ziel des Ausbaus der erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben?

Fakt ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien ein wichtiges, wenn nicht sogar entscheidendes Instrument zur Erfüllung der Klimaziele ist. Im Wettlauf gegen den Klimawandel und für die termingerechte Erreichung der Klimaneutralität 2045 wird der Einsatz der regenerativen Energien ausschlaggebend sein. Auch laut einer Studie des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ist höchste Eile beim Ausbau geboten. Während der Zeit von 2013 bis 2018 verzeichneten wir in Deutschland einen durchschnittlichen Zuwachs von 1,9 Gigawatt PV-Zubau. 2020 stieg dieser Wert zwar auf 4,9, jedoch werden laut aktuellen Berechnungen 13 – 21 Gigawatt PV-Zubau pro Jahr benötigt, um den Klimazielen gerecht zu werden. Die Solarpflicht ist eine Möglichkeit, den Prozess, wenn auch gezwungenermaßen, zu beschleunigen. Dies würde unter anderem auch dazu führen, dass die Regelungen und Maßnahmen einheitlich für alle Bundesländer wären und es dadurch zu einem schnelleren und weniger komplizierten Ausbau der Solarenergie kommen würde. 

Außerdem hat Deutschland beim Ausbau der Solarenergie noch deutlich Luft nach oben. Selbst in führenden Städten wie Köln, Leipzig oder Nürnberg zieren Solarmodule nur knapp die Hälfte aller Neubauten. Bei Nachzüglern wie Berlin, Frankfurt/Main und München beläuft sich die Solarquote sogar nur auf 15 Prozent der Dächer. Laut einer Studie der EUPD Research, einem internationalen Marktforschungs- und Beratungsunternehmen mit besonderem Fokus auf die erneuerbaren Energien, umfasst das ungenutzte Potenzial für Solarenergie auf Ein- und Zweifamilienhäusern für ganz Deutschland 89 Prozent (Stand April 2021).

Trotz der aufgezeigten Nachteile einer bundesweiten Solarpflicht ist nicht abzustreiten, dass die Dringlichkeit aufgrund des Klimawandels und das hohe, ungenutzte Potenzial der deutschen Dächer gewichtige Argumente für die Solarpflicht sind. Dennoch wird die Fragestellung, ob die Solarpflicht der richtige Weg ist oder alternative Regelungen in Betracht gezogen werden sollten, weiterhin zu angeregten Diskussionen führen.

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