Für das Auge kaum sichtbar, für die Natur enorm spürbar – Mikroplastik in der Kosmetikindustrie

Mehr Glanz beim Lippenstift, besserer Halt von Haargels, ein geschmeidigeres Gefühl beim Auftragen von Cremes: Die Liste der Einsatzzwecke von Mikroplastik ist lang.

„Plastik gelangt in erstaunlich vielen Erscheinungsformen in unsere heimischen Badezimmer und sogar auf unsere Haut. Etliche Kosmetik- und Körperpflegeprodukte sind mit Kunststoffen angereichert“, heißt es im letztjährigen Greenpeace-Report zu Plastik in Kosmetik.

Was macht Mikroplastik in Kosmetikprodukten?

Die Funktionen von Mikroplastik sind vielfältig. Oft wird sie als Füllstoff, Filmbildner, Schleif- oder Trübungsmittel eingesetzt. Trübungsmitteln finden hauptsächlich in flüssigen Produkten Verwendung, um ihnen ein schöneres, leicht perlglänzendes Aussehen zu verleihen. Als Schleifmittel werden winzige Kunststoffkugeln in Zahncremes, Duschgelen oder Peelings eingesetzt. Bei Letzteren sollen sie helfen, abgestorbene Hautschüppchen zu entfernen. Filmbildner hingegen kommen vermehrt in Haarsprays und Hautcremes vor. Sie erleichtern zum Beispiel die Kämmbarkeit von Haaren und können beim Fixieren von Frisuren zum Einsatz kommen. In Gesichtsmasken oder Hautcremes sorgen sie für ein entspanntes und weiches Hautbild.

Mikroplastik seit Jahren in der Kritik

Dabei steht der Einsatz von Mikroplastik in Kosmetik und Körperpflegeprodukten seit Jahren stark in der Kritik. Das Problem: Mikroplastik landet im Abfluss und damit auch im Abwasser. Kläranlagen können die kleinen Partikel oft nur unzureichend herausfiltern. So gelangt Mikroplastik in die Fluss- und Meeresumwelt, wo es andere Schad- und Giftstoffe aufgrund seiner Oberflächeneigenschaften wie ein Magnet anzieht und letztendlich von Meerestieren aufgenommen wird und somit auch in die Nahrungskette von Menschen gerät. Schätzungen der European Chemicals Agency (ECHA) zufolge werden in der EU jährlich rund 145.000 Tonnen Mikroplastik verwendet. Bereist 2019 schlug die ECHA daher eine weitreichende Beschränkung von Mikroplastik vor, nachdem die Europäische Kommission sie mit einer Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse beauftragt hatte.

Trotz der kritischen Bewertung und des Vorschlags zur Regulierung gibt es bis heute weder eine einheitliche Definition von Mikroplastik noch eine gesetzliche Regelung. Oft ist die Rede von synthetischen Polymeren bzw. festen Kunststoffteilchen mit einem Durchmesser unter 5 mm. Flüssige Partikel werden hingegen meist vernachlässigt und es wird auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen gesetzt.

Nachfrage zwingt Unternehmen zum Umdenken

Die steigende Nachfrage nach nachhaltiger Kosmetik – ohne schädliche Füll- und Inhaltsstoffe – zwingt Unternehmen jedoch unabhängig von gesetzlichen Beschränkungen vermehrt zum Umdenken. Laut einem Bericht des British Beatuy Council (2020) wünschen sich zwei Drittel der Verbraucher und Verbraucherinnen, dass Marken nachhaltiger handeln.

Von großen bis hin zu kleinen regionalen Unternehmen verschreiben sich immer mehr Marken dem Verzicht auf Plastik. Bereits vor einigen Jahren machte die britische Kosmetikmarke Lush unter dem Kampagnenmotto „Die Träne der Meerjungfrau“ auf die weltweite Umweltverschmutzung durch die kleinen Kunststoffteilchen in Kosmetika und Körperpflegeprodukten aufmerksam und ersetzte unter anderem Plastikglitzer komplett durch mikroplastikfreie Alternativen.

Aber auch Marken wie alverde, nicama, Projekt Glitter, Alterra, puremetics oder WELEDA bedienen mit ihren Produkten die Nachfrage nach klimafreundlicher Kosmetik. Von festen Shampoos über Upcyclingseifen und Deos bis hin zu Bio-Glitter und Peel-off Masken erobern immer mehr biologisch abbaubare, plastikfreie Alternativen den Markt. Denn auch nachhaltige Materialien, wie Meersalz und Fruchtsteingranulate, können als wirksames Mattierungsmittel für Farben und Beschichtungen dienen, über bindende Eigenschaften verfügen und sich als Trägerstoff für Duftstoffe eignen.

Um kritische Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten einfach zu erkennen, helfen Apps wie Beat The Microbead und Code Check. Auch unser Selbsttest im Badezimmer mithilfe der Apps brachte ein paar erschreckende Ergebnisse: Während das vorhandene Duschpeeling, Shampoo und Waschgel als unbedenklich deklariert wurde und diese Produkte kein Mikroplastik enthielten, leuchtete bei der Wimperntusche, dem Haarspray und Haargel sowie beim Make-up der rote Hinweis „schwer abbaubares Polymer“ sowie „enthält biologisch beständige Nanopartikel“ auf. Der Vorteil der Apps: Falls die Inhaltsstoffe nicht aufgelistet sind, reicht ein Scannen des Barcodes.

Siegel als Orientierungshilfe

Verschiedene Schriftzüge, wie „frei von Mikroplastik“ und „ohne Mikroplastik“, sowie diverse Siegel sollen Verbrauchern weitere Orientierungshilfen bieten. Während bei Lebensmitteln etablierte EU-Vorschriften die Bio-Qualität sichern, fehlt es der Kosmetikindustrie jedoch an offiziellen, harmonisierten Regeln und Parametern für die Definition von Natur- und Biokosmetik.

Unsere Recherche zeigt: Es ist durchaus schwierig herauszufinden, welche Siegel und Schriftzüge den Einsatz von Mikroplastik wirklich ausschließen. Eine Untersuchung der Redaktion des TV-Wissensmagazins „Galileo“ kommt zu dem Ergebnis: Nur weil Siegel Mikroplastikfreiheit versprechen, bedeutet das leider noch lange nicht, dass die Produkte wirklich frei von den kleinen Kunststoffteilchen sind. Bisher sei das Siegel von Flustix das einzige, das alle Arten von Kunststoffen ausschließen würde. Flustix prüft und kennzeichnet Plastiknachhaltigkeit unter anderem in den Kategorien Kosmetik, Lebensmittel, Spielzeug und Textilien.

Ein weiteres Siegel wurde 2008 von der Non-Profit-Organisation „The International Natural and Organic Cosmetics Association“ ins Leben gerufen. Das NATRUE-Label soll Verbrauchern hochwertige Natur- und Biokosmetik garantieren. So wird im Rahmen der Zertifizierungen unter anderem die biologische Abbaubarkeit der Substanzen geprüft, wobei sichergestellt werden muss, dass die Inhaltsstoffe problemlos in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt werden können. Ein weiterer Standard ist der COMOS Standard, welcher ebenfalls Kriterien definiert, die Unternehmen erfüllen müssen, um Produkte als echte Bio- oder Naturkosmetik kennzeichnen zu können.

Ein Grund für den Siegel-Dschungel: die bisher fehlenden einheitlichen EU-Regelungen. Somit können die Hersteller praktisch eigenmächtig festlegen, was sie unter der Verwendung von Mikroplastik verstehen. Das kritisiert auch Greenpeace im Untersuchungsbericht „Zum Abschminken – Plastik in der Kosmetik“. Dort heißt es „Die Auslegung des Begriffs Mikroplastik reicht dann häufig nur so weit, wie es gerade in den Produktionsablauf passt.“

EU plant Beschränkung bei der Verwendung von Mikroplastik

In Kanada, Neuseeland, Großbritannien, Schweden und den USA gibt es bereits ein Verbot für Mikroplastik in Kosmetika. Ob Deutschland an dieser Stelle nachziehen wird, bleibt vorerst abzuwarten. Nach Angaben des EU-Umweltbüros sieht das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das vierte Quartal 2022 aber die flächendeckende Beschränkung von Mikroplastik sowie Maßnahmen zur Verringerung der Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt vor. Damit sollen dann in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach und nach bestimmte Produkte mit Mikroplastik verboten werden.

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