Nachhaltiger Fleischkonsum: Wie bewusster Fleischgenuss Tier und Klima zugute kommt

Schweinenase

Fleischkonsum sorgt immer wieder für Gesprächsstoff – nicht nur zwischen Vegetariern und Fleischessern. Auch in den letzten Monaten war das Thema wieder höchst aktuell. Der Corona-Ausbruch bei Tönnies, Deutschlands größtem Schlachtbetrieb für Schweine, im Sommer dieses Jahres sorgte für Diskussionen in den Medien und sensibilisierte die Bevölkerung. Immer mehr Menschen legen Wert auf Qualität auf ihrem Teller: Die Nachfrage nach Bio-Fleisch war lange nicht so hoch.

Ein Umdenken, das längst überfällig ist. Bisher gehörte Fleisch zu unseren Alltagsprodukten. Die Deutschen verzehren im Schnitt 60 kg Fleisch pro Jahr, also mehr als 1 kg in der Woche. Das größte Problem daran: Das Fleisch soll am besten möglichst wenig kosten. Massentierhaltung wird damit legitimiert, denn die Nachfrage entscheidet… Und nicht nur die Tiere leiden unter diesen nicht artgerechten Bedingungen, die industrielle Fleischproduktion wirkt sich auch negativ auf das Klima aus. Alternativen wie Fleischersatzprodukte oder In-vitro-Fleisch finden bisher jedoch nur mäßig Anklang – Optik, Konsistenz und Geruch prägen nun mal die Produktauswahl.

Was muss sich am Fleischkonsum ändern, wenn die Alternativen (noch) versagen? Die Qualität muss weiter in den Fokus rücken, denn Fleisch ist nicht per se schlecht, sondern eine wertvolle Proteinquelle und leichter für den Menschen verwertbar als pflanzliche Eiweiße. Es braucht eine Entwicklung weg vom massenhaften Fleischverzehr hin zum hochwertigen Fleischgenuss. Zukunftsorientierte und nachhaltige Lösungen sind dabei gefragt.

Kann Fleischkonsum überhaupt nachhaltig sein? 

Nachhaltigkeit im Allgemeinen meint einen schonenden Umgang mit Ressourcen jeder Art, wodurch die Regeneration und Stabilität des jeweiligen Systems langfristig gesichert werden soll. In Bezug auf Lebensmittel basiert die Nachhaltigkeit  auf vielen Faktoren wie beispielsweise Anbaubedingungen von Futtermitteln, Umwelt- und Artenschutz, Verarbeitung durch Produzenten etc. Gerade in puncto Fleisch ist also darauf zu achten, dass die Tiere in natürlichen und gesunden Lebensumständen aufwachsen und anschließend in Achtsamkeit und frei von Stress geschlachtet werden. Die Nachverfolgbarkeit der Tiere ist ebenso entscheidend und gibt Auskünfte darüber, woher das Tier stammt, wie es gelebt hat und wie es verarbeitet wurde. Auch die allgemeine Ökobilanz von Fleisch steht oft in der Kritik. Dabei gilt es nicht nur den CO2-Ausstoß durch den Transport und den Anbau der Futtermittel zu beachten, sondern auch durch die Tiere selbst.

Was können Endverbraucher nun tun, um nachhaltiger mit Fleisch umzugehen?

  1. Den eigenen Fleischkonsum reduzieren
    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, nicht mehr als 300 bis 600 g Fleisch in der Woche zu essen – mehr als die Hälfte weniger als bisher. Eine solche Reduzierung würde die Treibhausgasemissionen um rund 12 % senken und 16 % weniger Agrarfläche beanspruchen.
  2. Die Verarbeitung des gesamten Tieres
    Sterneköche machen es bereits vor: From Nose To Tail, also die Verwertung des gesamten Tieres inklusive Innereien, Knochen oder Haut, ist fester Bestandteil der Konzepte vieler Restaurants. Auch als Endverbraucher sollte man nach diesem Prinzip konsumieren und nachfragen – und nicht nur selektierte Lieblingsstücke verwerten.
  3. Ein bewusster Einkauf
    Wie sollte ein guter Einkauf aussehen? Bio, regional, fairtrade – das klingt ziemlich teuer… Nicht unbedingt, denn hier lassen sich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wer den eigenen Fleischkonsum verringert, hat gleichzeitig mehr Geld, um in Qualität zu investieren, also in regionales Bio-Fleisch, bei dem die Tiere artgerecht gehalten werden und die Transportwege kurz sind. Immer mehr Supermärkte unterstützen bei dieser wichtigen Auswahl, in dem sie mehr Transparenz schaffen und die Haltungsbedingungen der Tiere kennzeichnen.

Oft sind es auch schlicht unsere Gewohnheiten und Routinen, die sich in unseren Alltag eingeschlichen haben und uns von einem nachhaltigeren Umgang mit Fleisch abhalten. In unserem Startklar-Podast entlarven wir einige davon und diskutieren verschiedene Ansätze, die einen bewussteren Fleischkonsum möglich machen können und überprüfen diese auf ihre Alltagstauglichkeit:

 

Wild and Free – mehr “Bio” ist theoretisch nicht möglich

Im Gegensatz zum herkömmlichen Wurst- und Fleischkonsum zählt der Verzehr von frischem Wildfleisch noch immer als Delikatesse – nur 450 Gramm isst der Deutsche im Schnitt im Jahr, meist in der Weihnachtszeit. Dabei hat Wild viele Vorteile: Es ist relativ fett- und kalorienarm, eiweißreich, frei von Antibiotika und Hormonen, da es in freier Wildbahn ohne das Eingreifen des Menschen aufwächst, und preislich auf dem gleichen Niveau wie Bio-Fleisch. Wild ist damit eine nachhaltige Alternative für all jene, die die schlechten Haltungsbedingungen in der regulären Fleischindustrie nicht unterstützen möchten. Vor allem die Verarbeitung von Wildfleisch aus regulierter, nachhaltiger Jagd ist eine verantwortungsbewusste Nutzung der natürlichen Ressourcen. Da der Wildbestand jedes Jahr zunimmt, veröffentlicht der Deutsche Jagdverband im Rahmen der  Bestandsregulierung jährlich die Anzahl der Tiere, die durch die Jagd geschossen werden müssen. So meldete der Deutsche Jagdverband beispielsweise für die Jagdsaison 2017/2018 den Abschuss von 840.000 Wildschweinen. Zudem weist Wildfleisch eine bessere Öko-Bilanz auf als manches Fleischersatzprodukt oder Fleisch aus Massentierhaltung – die Bestellung von Ackerflächen für Futtermittel und damit das potenzielle Roden von Wäldern, lange Transportwege und eine hohe Belastung des Grundwassers entfallen fast vollständig. 

Wildfleisch = Bio-Fleisch?

Die EU-Öko-Verordnung definiert die Regelung für die Vergabe des Bio-Status. Laut dieser Definition fallen wild lebende Tiere nicht in diesen Bereich, jedoch jene, die nach ökologischen Kriterien im Gehege gehalten und zur Fleischproduktion freigegeben werden. Fleisch frei laufender Tiere aus der Natur kann somit nicht mit einem Bio-Siegel versehen werden. Andere Siegel wie “Wild aus der Region” versuchen daher, den Nachhaltigkeitscharakter der Produkte herauszustellen. Dennoch gibt es prinzipiell kein Fleisch, welches durch seine Lebensumstände und “Haltung” mehr Bio ist als Wild. Eines sollte allerdings beachtet werden: So ist frisches Wildfleisch aus heimischen Wäldern ursprünglich Saisonware und gewöhnlich von Sommer bis in den Januar erhältlich. Mittlerweile sind Reh, Hirsch & Co. allerdings auch ganzjährig in den Supermärkten zu finden. Diese werden aber häufig von Übersee importiert. Nachhaltig ist daran dann nicht mehr viel. Darum sollte Wild lieber direkt frisch vom Jäger, Metzger oder Wildhändler in der Region bezogen werden.

Hochwertiges Wildfleisch auch ohne mit dem Jäger per Du zu sein

Dank des Internets ist regionales Wildfleisch nicht mehr nur beim Jäger des Vertrauens zu finden. Online-Shops spezialisieren sich zunehmend auf eine selektierte Produktsparte, welche dafür in einer besonders hohen Qualität angeboten wird. So gibt es auch für Wildprodukte zahlreiche Anbieter, die die Ware vom Vortag bis an die Haustür liefern. Dieses Fleisch wird teilweise sogar gänzlich frisch, also nicht tiefgefroren, geliefert und lässt sich auf den Internetseiten des Anbieters zurückverfolgen bis hin zum Waldstück, in dem das Tier einmal gelebt hat. 

Wer also nicht gänzlich auf Fleisch verzichten möchte, kann durch einen bewussten und regulierten Konsum dennoch einen großen Beitrag für Natur und Tier leisten. Neben dem Verzehr von saisonalem und regionalem Wildfleisch sorgen gesteigerte Qualitätsansprüche für eine Veränderung der generellen Nachfrage. Das wiederum zwingt Bauern sowie Fleischproduzenten gleichermaßen zu einer artgerechten Haltung der Tiere.

Ein solcher Anbieter ist Waldgourmet. Das Unternehmen aus Sachsen-Anhalt vertreibt in seinem Online-Shop regionale, nachhaltige und vor allem schmackhafte Wildspezialitäten und wurde im Jahr 2021 mit 500.000 Euro erfolgreich auf Econeers finanziert. Der Gründer und CEO Marian Bohndick war zu Gast in der zweiten Folge vom OneCrowd Podcast „Startklar“. Im persönlichen Gespräch legte der überzeugte „Teilzeit“-Veganer dar, weshalb Wildfleisch eine nachhaltige Alternative zu konventionellem Fleisch ist und warum sogar viele Menschen bei ihm bestellen, die sich normalerweise vegetarisch ernähren:

 

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