Oben oder unten? Die Mobilität von morgen – Teil 1

Foto: Siemens

Angeblich sind Probleme immer nur getarnte Gelegenheiten und in diesem Sinne verkündete Siemens letzte Woche ins Medienraunen rund um den Dieselgate hinein, dass der Konzern nun beauftragt wurde, in Hessen auf einer Pilotstrecke von 10 Kilometern auf der A5, zwischen den Anschlussstellen Zeppelinheim/Cargo City Süd des Frankfurter Flughafens und Darmstadt/Weiterstadt, einen sogenannte eHighway mit Oberleitungen für Lkws zu bauen. Doch blieb der große Applaus bei den Journalisten aus: Zu teuer die Infrastruktur und Technik, wirklich innovativ sei es auch nicht und zudem wetterempfindlich bei niedrigen Temperaturen. Aber ist Siemens wirklich auf der „falschen Spur“?

Der E-Mobilität gehört die Zukunft, darin scheinen sich die meisten einig zu sein. Und damit es tatsächlich auch bei einer nachhaltigen Mobilität bleibt, soll die nächste Autogeneration natürlich auch mit Ökostrom fahren. Doch noch lässt der Durchbruch des elektrifizierten Fahrens auf sich warten: lange Ladezeiten, zu teuer das Auto, Ladesäulen noch zu selten und die Speichertechnologie kaum langstreckentauglich. Nach einem erfolgreichen Pilot auf zwei Kilometern Straße in Schweden will der Konzern Siemens nun auch in Deutschland auf einem stark beanspruchten Streckenabschnitt der A5 via Oberleitungsstrom von 600 Volt und Hybrid-Lkws eine Lösung für die E-Mobilität im Güterverkehr anbieten und ganz nebenbei weitere Machbarkeitsbelege sammeln.

Doppelte Ersparnis

Laut Siemens sei der eHighway im Vergleich zu Verbrennungsmotoren doppelt so effizient. Damit würde nicht nur der Energieverbrauch halbiert, sondern auch die lokale Luftverschmutzung.
Allein 2016 wurde im Bereich Verkehr 48,6 Millionen Tonnen Diesel sowie 24,2 Millionen Tonnen Benzin verbrannt.

Kernelement des Siemens-Systems ist ein intelligenter Stromabnehmer in Kombination mit einem Hybridantriebssystem. Entsprechend ausgerüstete Lastwagen versorgen sich während der Fahrt aus der Oberleitung mit elektrischer Energie und fahren dann lokal CO2-emissionsfrei. Auf Straßen, die nicht mit Oberleitungen ausgestattet sind, treibt ein Hybridmotor oder der Akku die Lastwagen an. Rund 20.000 € Spritkosten würden so für einen 40-Tonner auf 100.000 Kilometern eingespart. Wir haben mal den Taschenrechner gezückt und nachgerechnet: Bei angegebenen Ausbaukosten von 1,1 bis 2,5 Millionen Euro pro Kilometer müsste ein 40-Tonner 5,5 bis 12,5 Millionen Mal über den einen Kilometer Strecke fahren, ehe sie sich amortisiert. Nicht mit eingepreist wurden die angeblich hohen Wartungskosten für die Oberleitungen, die Lkw-Technologie an sich und die Ausfälle bei starkem Frost.

Weitergerechnet

Klingt das für Sie nach einer realistischen Alternative? Wir haben weitergerechnet und die Zahlen mit der Realität auf unseren deutschen Autobahnen verglichen: Laut der Bundesanstalt für Straßenwesen wurden in 2015 auf der A5 160.800 Fahrzeuge täglich gemessen. Gemäß dem Statistischen Bundesamt betrug der Anteil an Lkws 2011 9 Prozent (leider gab es keine aktuelleren Statistiken). Das wären demnach täglich 14.472 Lkws allein auf der A5. Aufs Jahr hochgerechnet befahren über 4,3 Millionen Sattelschlepper die A5 – das Sonntagsfahrverbot wurde hier bereits berücksichtigt. Wir erinnern uns: Bei Ausbaukosten von 1,1 bis 2,5 Millionen Euro pro Kilometer müsste ein 40-Tonner 5,5 bis 12,5 Millionen Mal über die Strecke fahren, ehe sie sich amortisiert. Nun schultern wir die ganze Amortisationsfahrt nicht auf ein Fahrzeug, sondern auf den gesamten Güterverkehr: In weniger als drei Jahren – auch bei maximalen Ausbaukosten – hätte der Streckenabschnitt bereits die Gewinnspanne erreicht. Ein vielversprechendes Ergebnis, wenn sich die sonstigen Kosten für Wartung, Hybrid-Lkw und Instandhaltung im vertretbaren Rahmen halten. „Unsere Technologie ist damit eine heute schon real existierende Alternative zum LKW-Transport mit Verbrennungsmotoren“, frohlockte Roland Edel, Technologiechef der Division Mobility.

Bereits Ende 2018 sollen die Umbaumaßnahmen auf der A5 abgeschlossen sein. Und spätestens dann wird sich zeigen, inwiefern die laufenden Kosten oder der deutsche Winter einen Strich durch unsere und Siemens Rechnung machen.

Foto: Siemens.

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