Plastik war gestern: „Es ist schön zu sehen, dass wir die Dinge ändern können – einen Schritt nach dem anderen“

Unlängst wurde Greta Thunberg und die Protestbewegung Fridays for Future mit dem wichtigsten Preis von Amnesty International – dem Botschafter-des-Gewissens-Preis – ausgezeichnet. Die Klimaaktivistin setzt sich seit über einem Jahr für mehr Klimaschutz ein und auch in der Gesellschaft findet ein Umdenken statt. Immer mehr Menschen fragen sich, wie sie ihren Teil zu mehr Umweltschutz beitragen und ihr Leben hin zu mehr Nachhaltigkeit bewegen können. Bei diesen Überlegungen stolpern viele über Schlagworte wie „Zero Waste“ – also sein Müllaufkommen reduzieren bzw. Müll komplett vermeiden. Aber wie viele Läden in Ihrer Nähe kennen Sie, in denen Sie verpackungsfrei einkaufen können? Keinen oder nur sehr wenige? Dann geht es Ihnen ähnlich wie der Waste-no-More-Gründerin Marie Haupt bei ihrer Ankunft in Berlin. Aus diesem Grund machte sie es sich gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Sophie Blanchetiere zur Aufgabe, plastikfreie Produkte so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen – sie gründeten den Online-Shop wastenomore.de für plastikfreie Kosmetik und Alltagsprodukte. Wir sprachen mit der Gründerin über die Idee, einen Online-Shop zu eröffnen, und darüber, was die Alltagshürden für ein plastikfreies Leben sind und was man tun kann, um den Einstieg in ein Zero-Waste-Leben dennoch zu meistern.

Econeers: Hallo Marie und herzlich willkommen zum Interview! Auf eurer Website schreibst du, dass es deine persönliche ökologische Herausforderung für dieses Jahr ist, kein Fleisch mehr zu essen. Würdest du uns verraten, wie du diese Herausforderung bisher meisterst?

Marie Haupt: Es gibt Höhen und Tiefen. Zu Hause koche ich kein Fleisch mehr. Ich habe ein vegetarisches Batch-Cooking-Kochbuch gekauft, um organisiert an die Sache heran zu gehen und einfach neue Rezeptideen bereit zu haben. Ich habe mich auch in vegetarische Hamburger verliebt, die oft fantasievoller sind als ihre traditionellen Pendants – neulich habe ich zum Beispiel Burger mit Feigen, Pesto und sogar einer Minzsauce probiert. Kurz gesagt, hier ist die vegetarische Alternative alles andere als langweilig. Aber ich hatte auch schwache Momente, beispielsweise im Restaurant, als das einzige vegetarische Gericht Mac & Cheese war …

Econeers: Mit eurem Unternehmen habt ihr euch auf die Fahne geschrieben, die Zero-Waste-Kultur einem möglichst großen Publikum näher zu bringen. Inwieweit lebst du privat plastikfrei – und gelingt es dir, auch dein näheres Umfeld damit zu beeinflussen?

Marie Haupt: Ich bin im Alltag bei weitem nicht perfekt. Im Badezimmer ist es in Ordnung, es ist ziemlich minimalistisch, aber für die Küche ist es manchmal schwierig, ohne Verpackung einzukaufen! Ich kaufe Reis und Hülsenfrüchte lose in einem Bioladen. Für Alltagsprodukte gehe ich in den klassischen Supermarkt und stelle mich dem klassischen Dilemma: Kaufe ich Bio und verpackt oder nicht Bio, aber ohne Kunststoff?
Mit meinen Freunden will ich nicht zu militant sein, weil es kontraproduktiv ist. Jeder macht zu Hause, was er will, aber oft sagen die Leute zu mir: „Ich habe an dich gedacht, ich habe ohne Verpackung genommen“ oder „Ich habe gerade eine Bambus-Zahnbürste gekauft“. Es ist schön zu sehen, dass wir die Dinge ändern können – einen Schritt nach dem anderen.

Econeers: Plastik und Verpackungsmüll begleiten uns den ganzen Tag – angefangen bei der Morgenroutine über den Einkauf im Supermarkt oder den Snack zwischendurch bis hin zum Hausputz. Immer wieder stehen wir vor der Wahl, den leichten oder den richtigen Weg zu wählen. Was sind deiner Meinung nach die größten Hürden im Alltag, die es uns erschweren, plastikfrei zu leben?

Marie Haupt: Es gibt mehrere Probleme. Auf individueller Ebene ist es oft die Macht der Gewohnheiten wie z. B. der Kauf eines Kaffees, den man jeden Morgen mitnimmt. Ihr müsst Eure Gewohnheit ändern und darüber nachdenken, z. B. Euren wiederverwendbaren Kaffeebecher zu nehmen. Es wird gesagt, dass es mindestens drei Wochen dauert bis eine neue Gewohnheit entsteht, also muss man zunächst motiviert sein, sich zu ändern, bis es einfach zum Alltag dazugehört.
Das zweite Problem ist manchmal der Mangel an Alternativen wie z.B. Geschäfte ohne Verpackung – die sind noch viel zu selten.

Econeers: Wie ist die Idee entstanden, einen Online-Shop für plastikfreie Kosmetik und Alltagsprodukte zu gründen?

Marie Haupt: Während meines Studiums zur Werkstoffingenieurin wurde mir die Problematik von Einwegplastik-Produkten im Alltag bewusst. Bei meiner Ankunft in Berlin bemerkte ich, dass es einen Mangel an plastikfreien Geschäften gab und dass es wichtig wäre, entsprechende Produkte einer größtmöglichen Gruppe an Menschen zugänglich zu machen – So entstand die Idee zu Waste no More.

Econeers: Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 3,52 Mrd. Kurier-, Express- und Paketsendungen verschickt – 4,9 % mehr als im Jahr 2017,Tendenz steigend. Das bedeutet gleichzeitig große Mengen mehr an Verpackungsmüll und zusätzliche Transportwege. Dennoch kann Online-Shopping umweltfreundlicher sein als ein Einkauf im stationären Handel. Wie sorgt ihr dafür, dass sich ein Online-Shop und Nachhaltigkeit nicht ausschließen?

Marie Haupt: Wir versenden nur wiederverwendete Kartons und Füllmaterial. Der komplette Karton kann im Altpapier recycelt werden – sogar das Klebeband! Wir bieten keinen Expressversand, weil es weniger umweltfreundlich ist, wenn halbleere Transporter durch die Gegend fahren. Der Umwelteinfluss des gekauften Produkts ist natürlich trotzdem nicht zu vergessen – Oft kann ein umweltfreundlicheres Produkt die Einfluss-Art des Einkaufs um das Mehrfache ausgleichen.

Econeers: Wie erfolgt die Auswahl eurer Produkte?

Marie Haupt: Wir verkaufen nur Produkte, die wir selber getestet haben. Wenn wir von der Wirksamkeit des Produkts überzeugt sind, schauen wir, dass auch alles in der Herstellung mit unseren Werten übereinstimmt – erst dann wird es in unser Sortiment aufgenommen.

Econeers: Was ist euer Verkaufsschlager aus dem Produktsortiment – und welches ist euer persönliches Lieblingsprodukt?

Marie Haupt: Die Seifen werden am meisten gekauft. Wir haben für jeden etwas zu bieten: Lavendel, Kohle, Aloe Vera, Avocado-Minze, Kokosnuss … Aber mein aktuelles Lieblingsprodukt ist die Lunchbox. Sie hat ein schlichtes Design aus Edelstahl und ist drinnen leuchtend grün – sehr minimalistisch und schick. Ich liebe sie!

Econeers: Nicht zuletzt durch die Fridays-for-Future-Bewegung werden Klimaschutz und Nachhaltigkeit immer größere Aufmerksamkeit zuteil und Schlagworte wie Zero Waste sind in aller Munde. Macht sich diese gesellschaftliche Entwicklung auch anhand eurer Absatzzahlen bemerkbar?

Marie Haupt: Die Fridays for Future sind ein Spiegel unserer Zeit, in der es ein immer stärkeres Umweltbewusstsein gibt, auch für die Herausforderungen im Alltag. Dieses Bewusstsein schlägt sich natürlich in höheren Verkaufszahlen nieder, auch wenn es nicht unbedingt jeden Freitagnachmittag zum großen Rush kommt.

Econeers: Wie sehen eure Zukunftspläne für Waste no More aus?

Marie Haupt: Wir arbeiten ständig an unserem Angebot und wollen natürlich immer mehr Auswahl und bessere Produkte anbieten. Wir haben auch die Hoffnung, umweltfreundliche Produkte nicht nur direkt an Privatpersonen zu verkaufen, sondern auch an Unternehmen, die einen hohen Durchlauf von Einweg-Alltagsprodukten haben, z. B. Hotels.

Econeers: Welche Tipps gibst du abschließend unseren Leserinnen und Lesern für einen möglichst leichten Einstieg ins Zero-Waste-Leben?

Marie Haupt: Ändert eure Gewohnheiten Stück für Stück – so bleibt es einfach und gliedert sich reibungslos in den Alltag ein. Niemand wird von heute auf morgen seinen kompletten Lebenswandel umstellen können und so verhindert man den Jojo-Effekt. Hauptsache kein Druck: Nobody is perfect!

Econeers: Vielen Dank für das Interview! Wir freuen uns, dass du dir die Zeit dafür genommen hast, und wünschen euch weiterhin viel Erfolg.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll to top