Startups machen Stromkonzerne fit für die Energiewende

Startup-Award auf der E-World

Die traditionellen Energiekonzerne stecken in der Krise. Mit Kohle- und Atomkraftwerken lässt sich in Zeiten der Energiewende kein einträgliches Geschäft mehr betreiben. Die Bilanzen der Stromriesen sprechen eine deutliche Sprache. Anfang März verkündete E.ON für 2015 ein Minus von 7 Milliarden Euro. Auch bei RWE, EnBW und Vattenfall haben sich hohe Verluste angehäuft. Nun sollen junge Startups mit innovativen Konzepten für die Energiewende den Konzernen dabei helfen, einen zukunftsfähigen Kurs einzuschlagen.

17. Februar, 7:30 Uhr: Gründer und Mitarbeiter von rund 30 Startups haben sich auf Einladung der Deutschen Energieagentur dena früh morgens am Roten Rathaus in Berlin eingefunden. Ihnen steht an diesem Tag eine 500 Kilometer lange Fahrt mit dem von der dena organisierten Startup-Bus quer durch Deutschland bevor. Ziel ist eine der wichtigsten Fachmessen der Energiebranche, die E-World in Essen. Dort treffen zwei Tage lang neue und alte Energiewelten aufeinander.

Startup-Hauptstadt meets Kohlerevier

Mitten im Ruhrgebiet, wo sich seit fast 20 Jahren die Entscheider der etablierten Energieunternehmen auf der E-World treffen, sind in letzter Zeit auch immer häufiger Startup-Unternehmen mit nachhaltigen Lösungen für die Energiewende vertreten. Von der energiesparenden Straßenlaterne, die gleichzeitig als Kommunikations-Hotspot dient bis hin zur intelligenten Ladeinfrastruktur für Elektroautos – die Arbeitsfelder der Startups im dena-Bus sind weit gestreut. Sie entwickeln das, woran es den alteingesessenen Konzernen offenbar mangelt: innovative, grüne Geschäftsideen in den Bereichen saubere, dezentrale Energieerzeugung, Energieeffizienz, Mobilität, Vernetzung und Digitalisierung. Auch die Frage der Finanzierung der Energiewende spielt in Zukunft eine wichtige Rolle. Deshalb sind neue Finanzierungs- und Beteiligungsmöglichkeiten wie Crowdfunding für Konzerne zunehmend interessant.

Energiekonzerne wildern in der Startup-Szene

Die Fahrt mit dem Startup-Bus zur E-World ist ein Paradebeispiel für die Annäherung von old und new economy im Energiemarkt. In den letzten Jahren haben praktisch alle großen Energieunternehmen Startups als Frischzellenkur und Innovationsmotor für das eigene Geschäft entdeckt und suchen offensiv die Nähe zu Gründern. Immer häufiger beteiligen sie sich als Kapitalgeber mit eigenen Venture Capital Gesellschaften oder als Förderer mit Accelerator-Programmen, wie dem E.ON agile Accelerator, an jungen Unternehmen. Im Gegenzug erhoffen sie sich auf lange Sicht technische Innovationen, Know-How und Spitzenpersonal fürs eigene Unternehmen.

Win-win für Startups und Unternehmen

Nicht nur aus Sicht der Großkonzerne ist es lohnend, eine Partnerschaft mit einem Jungunternehmen einzugehen. Neben dem Kapital, das Startups benötigen, können Sie von Netzwerken, Kundenstamm und der vorhandenen Infrastruktur der ressourcenstarken Konzerne profitieren. Dadurch entsteht für Startups die Chance, in der Entwicklung und im Vertrieb ihrer Produkte und Business Modelle deutlich schneller vorankommen als es für sie im Alleingang möglich wäre.

So können erfolgreiche Kooperationen aussehen:

Nachdem das Hamburger Startup DZ-4 im Sommer 2014 seine ersten Solaranlagen über ein Crowdfunding bei Econeers refinanziert hat, ist im vergangenen Jahr auch EnBW auf das Unternehmen aufmerksam geworden. Zu dieser Zeit war DZ-4 auf der Suche nach einem strategischen Investor, der nicht nur Geld, sondern auch Markt-Know-How und ein umfangreiches Kundennetzwerk beisteuern konnte. Davon versprachen sich die Gründer Florian Berghausen und Tobias Schütt, mit ihrem vielversprechenden Pachtmodell für Solaranlagen schneller zu wachsen und ihrem Ziel von 10 Millionen Solardächern näher zu kommen. Den passenden Partner fand das Solar-Startup in EnBW. Im Juli 2015 stieg Deutschlands drittgrößter Energieversorger mit seiner neu gegründeten VC-Tochter EnBW New Ventures mit 15 Prozent Beteiligung bei DZ-4 ein. „Wir wollen, dass unser Unternehmen erfolgreich wird. Ohne die etablierten Unternehmen geht das nicht. Man braucht auch die Energiekonzerne, um die Energiewende umzusetzen“, erklärte DZ-4-Geschäftsführer Florian Berghausen die Zusammenarbeit gegenüber Wiwo Green.

Auch Thermondo aus Berlin ist vor eineinhalb Jahren eine Partnerschaft mit einem Energieriesen eingegangen. Das 2012 gegründete Unternehmen hat eine Lösung entwickelt, mit der es den altmodischen Markt für Heizungsanlagen ins digitale Zeitalter holen will. Herzstück von Thermondo ist eine Online-Plattform, über die Kunden ihre Heizung bestellen und direkt vom Unternehmen installieren lassen. Das soll deutlich schneller und einfacher als bei „analogen“ Handwerksbetrieben funktionieren.

Das Geschäftsmodell zeigte Erfolg: Mittlerweile beschäftigt das Startup über 100 Mitarbeiter und verzeichnet nach eigenen Angaben ein durchschnittliches Wachstum von mehr als 800 Prozent pro Jahr. Im September 2014 hat sich E.ON mit 20 Prozent an Thermondo beteiligt. Der Düsseldorfer Konzern bietet seinen Kunden inzwischen auf der eigenen Webseite die Dienste des Startups an. E.ON steigt dadurch in den wachsenden Heizungsmarkt ein – Thermondo hat die Chance sein Geschäftsmodell schneller zu skalieren und eine Vielzahl neuer Kunden zu erreichen.

Konzerne holen sich Startup-Feeling ins Haus

Aber der Einfluss von Startups auf die Konzerne reicht noch weiter. Energieversorger wollen scheinbar mehr und mehr selbst zum Startup werden. Dazu lassen sie sich von der Startup-Kultur inspirieren.

Am Hauptsitz in Karlsruhe hat der Stromkonzern EnBW 2014 seinen sogenannten Innovations-Campus ins Leben gerufen. Hier können sich die eigenen Mitarbeiter in Projektteams zwischen Palettenmöbeln, Hängematten und Tischkicker, in Startup-Manier „abseits vom Konzernbetrieb ganz auf ihre Ideen- und Produktentwicklung konzentrieren“, wie es auf der EnBW-Webseite heißt. Zudem ist der Innovations-Campus Arbeitsplatz für vier interne Startups, die für EnBW an neuen Produkten und Dienstleistungen in den Bereichen Smart City, Energiemanagement und E-Learning feilen. Auch RWE setzt auf strategische Partnerschaften mit Jungunternehmen und hat dazu Mitte 2014 seinen „Innovation Hub“ in der Gründungsmetropole Berlin eröffnet. Hier arbeiten Startups an Innovationen für den Energiekonzern.

Startups – das Heilmittel der Energiebranche?

Stromkonzerne haben die Energiewende lange verschlafen und sich dementsprechend zu wenig auf einen tiefgreifenden Wandel des Energiesystems vorbereitet. Umso wichtiger ist es nun, dass sie sich für die notwendigen Umstrukturierungen ihrer Geschäftsfelder Unterstützung von außen holen. Erfolgreiche Partnerschaften zeigen bereits, dass Startups das Potential haben, frischen Wind in die Großkonzerne zu bringen. Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt, das nur durch die Zusammenarbeit vieler Akteure gelingen kann. Deshalb sind Allianzen von Startups und Konzernen eine echte Chance für beide Seiten – und nicht zuletzt auch für den Klimaschutz.

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