Zu gut für die Tonne: So gelingt es, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren

Wir produzieren weltweit Lebensmittel für 10 Milliarden Menschen – dabei hat die Erde derzeit nur 8 Milliarden Bewohner. Bei der Betrachtung dieser beiden Ziffern im Vergleich stellt sich zurecht die Frage, wie es sein kann, dass dennoch 800 Millionen Menschen auf der Erde Hunger leiden? Die traurige Antwort: Ungefähr ein Drittel der weltweit erzeugten Lebensmittel landet in der Tonne. Die Fläche, die für den Anbau dieser verschwendeten Nahrungsmittel benötigt wird, ist 1,4 Milliarden Hektar groß – dies entspricht mehr als 39-mal der Fläche von Deutschland. Doch wie kommt es zu dieser Verschwendung?

Lebensmittelverschwendung in der Landwirtschaft

Lebensmittelverschwendung findet sich überall auf dem Weg zwischen Produktion und Endverbraucher. Die Ursachen dafür sind an allen Punkten der Wertschöpfungskette und in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich. Am Entstehungspunkt, in der Landwirtschaft, verderben Lebensmittel häufig durch falsche Lagerung, Schädlingsbefall oder mangelnde Abnehmer. Dieses Phänomen tritt insbesondere in Entwicklungsländern auf. Ganze 20 Prozent unserer Nahrungsmittel beziehen wir aus diesen Ländern. Die Verschwendungsrate in der Landwirtschaft ist dort häufig sehr hoch, da in den Entwicklungsländern 40 Prozent der Erzeugnisse aufgrund mangelhafter Lagerhaltungsmöglichkeiten oder auf dem Transportweg Richtung Industrieländer verderben. 

Daneben findet in der Landwirtschaft eine weitere Form der Verschwendung statt. Ernte, die optisch nicht der Norm entspricht – mit anderen Worten: krumme Kartoffeln und verdrehte Karotten – werden direkt auf dem Acker liegen gelassen. Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern ist in den Supermärkten bekanntlich nicht gern gesehen. Ein Unternehmen aus München, Etepetete, hat sich dieser Problematik angenommen und vertreibt die bislang wenig wertgeschätzten Erzeugnisse erfolgreich.

Von den direkt in Deutschland produzierten Lebensmitteln werden bei der Produktion in der Landwirtschaft ca. 1,4 Mio. Tonnen verschwendet, was hierzulande 12 Prozent der gesamten Lebensmittelabfälle ausmacht. Im Vergleich zu den Entwicklungsländern ist die Quote aufgrund der besseren Lagerbedingungen niedriger. Jedoch liegen dem Statistischen Bundesamt zufolge bereits zwei Drittel der für den Lebensmittelverbrauch der Deutschen benötigten Ackerfläche im Ausland. Mit der Verknappung der Anbaufläche erhöhen sich entsprechend auch die Lebensmittelpreise, was es für ärmere Länder noch schwieriger macht, an Nahrungsmittel zu gelangen.

Lebensmittelverschwendung in der Industrie

Der nächste Punkt in der Wertschöpfungskette ist die Industrie. Ursachen für Lebensmittelverschwendung finden sich hier in der Lagerung, auf dem Transportweg und in der internen Qualitätssicherung wieder oder haben technische Ursachen. Ganze 18 Prozent der Lebensmittelabfälle in Deutschland entstehen während des Verarbeitungsprozesses.

Doch auch im Groß- und Einzelhandel nimmt die Verschwendung leider kein Ende. In den Supermärkten fallen aufgrund der anspruchsvollen Kundenwünsche weitere Erzeugnisse durch das Raster. Produkte, die optisch nicht ansprechend sind, werden dem Endverbraucher entweder gar nicht erst präsentiert oder bleiben liegen und werden anschließend entsorgt. An diesem Punkt der Wertschöpfungskette gehen weitere 0,5 Millionen Tonnen Lebensmittel verloren. Die gute Nachricht ist, dass ca. ein Drittel der aussortierten Nahrungsmittel an gemeinnützige Organisationen gespendet wird. Die Tafeln in Deutschland retten dadurch nicht nur eine riesige Menge an Essen, sondern versorgen gleichzeitig 1,65 Millionen Bedürftige damit.

Bisher werden leider an jedem Punkt der Wertschöpfungskette wertvolle Lebensmittel verschwendet. Teil der Lösung dieses Problems kann es sein, die Thematiken Lebensmittel und Ernährung aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und einen ganzheitlichen Ansatz zu schaffen. Ein Unternehmen aus Ingolstadt nimmt sich der Herausforderung an, der Verschwendung ein Ende zu bereiten. Organic Garden will schon bald eigene Farmen betreiben, auf denen Lebensmittel in einem umweltfreundlichen Kreislaufsystem CO2-neutral und ressourcenschonend angebaut werden. Das Konzept vereint alle Glieder der Wertschöpfungskette – von der Nahrungsmittelherstellung über die Kreation innovativer Produkte bis zum Verkauf an den Endverbraucher. Dabei legt das junge Unternehmen großen Wert auf Nachhaltigkeit, Transparenz und Regionalität. Ziel ist es, viele Menschen aus der Region – und per Online-Shop auch darüber hinaus – ganzjährig mit gesunden, hochwertigen Nahrungsmitteln zu versorgen.

Lebensmittelverschwendung durch die Endverbraucher

Doch auch, wenn die vorangegangenen Etappen der Wertschöpfungskette zu einer großen Verschwendung von Lebensmitteln führen, macht der Müllberg erst weniger als die Hälfte des gesamten Lebensmittelabfalls aus. Ganze 6,1 Millionen Tonnen (52 Prozent) der Lebensmittelabfälle der Deutschen gehen auf das Konto der privaten Haushalte. Im Gegensatz zu den Entwicklungsländern, in denen der Großteil der Nahrungsmittel bereits in der Landwirtschaft verdirbt, liegt der Hauptanteil der Verschwendung in Industrieländern beim Endverbraucher. Um diese unfassbare Menge an allein in Deutschland vergeudeten Lebensmitteln zu erzeugen, bedarf es einer Anbaufläche von 2,4 Millionen Hektar – was ungefähr der Größe von Mecklenburg-Vorpommern entspricht. Durch unseren Wohlstand haben wir uns daran gewöhnt, Nahrung im Überfluss zur Verfügung zu haben. Leider ging dadurch aber auch das Bewusstsein dafür verloren, wie viele Ressourcen, Energie und Ackerfläche eigentlich für die Herstellung der für uns selbstverständlichen Lebensmittel benötigt werden.

Gründe für die Verschwendung liegen hauptsächlich in Problemen der Haltbarkeit, übergroßen Portionierungen und der fehlerhaften Mengenplanung beim Einkaufen. Obst landet in deutschen Haushalten am häufigsten im Müll, dicht gefolgt von Gemüse und Getreideerzeugnissen. Doch entgegen der weitverbreiteten Annahme, dass es sich beim Mindesthaltbarkeitsdatum um ein Verfallsdatum handelt, ist jenes Datum vielmehr ein Marker. Bis zum jeweiligen Datum gilt das Lebensmittel in den Merkmalen Geschmack, Farbe und Nährwerte als garantiert genießbar. Ist der Stichtag passé, heißt das nicht automatisch, dass das Produkt nicht mehr verzehrbar ist. Verbraucher sollten sich daher stets auf ihre Sinne verlassen. Wenn das Lebensmittel nicht auffällig riecht, schmeckt oder sich die Farbe merklich verändert hat, kann es ohne Bedenken verzehrt werden.

Eigene Verschwendung reduzieren – Tipps und Tricks

Mit den vielen Zahlen vor Augen beschleicht den einen oder anderen vielleicht ein schlechtes Gewissen. Der verschwenderische Umgang mit Lebensmitteln ist vielen Menschen zur Gewohnheit geworden. Doch Gewohnheiten kann man ändern – angefangen mit unserem Einkaufsverhalten. Das Aufstellen eines Essensplans für die Woche ist eine solide Hilfe in der Auswahl und Menge der benötigten Lebensmittel. Die Chance, dass überflüssige Reste weggeworfen oder Produkte in den Tiefen des Kühlschranks vergessen werden, wird dadurch geringer. Den Einkauf von vornherein besser zu planen und nur die Mengen zu kaufen, die wirklich verbraucht werden können, ist also ein Schritt in die richtige Richtung.

Wie bereits erwähnt, ist das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht immer besonders aussagekräftig. Man kann sich also sehr gut auf die Beurteilung durch die eigenen Sinne verlassen und rettet dadurch Lebensmittel, die viel zu schade für den Müll sind. Im Supermarkt auch mal nach Produkten zu greifen, die nicht perfekt aussehen, oder auch zuhause schlechte Stellen von Obst und Gemüse einfach zu entfernen und es trotzdem zu genießen, kann schon viel bewirken.

Eine weitere typische Situation: Es geht in den Urlaub, aber der Kühlschrank ist noch prall gefüllt. Warum nicht die Gelegenheit nutzen und die Nachbarn besser kennenlernen? Vielleicht benötigen sie ja das ein oder andere Nahrungsmittel. Außerdem bietet sich die Option, die Produkte online auf Foodsharing-Plattformen anzubieten.

Auch wenn beim Restaurantbesuch die Portion schon wieder viel zu groß war, bedeutet das nicht, dass das Essen weggeworfen werden muss. Häufig sind Restaurants gern bereit, die Essensreste einzupacken, und man kann sich am nächsten Tag über die leckeren Reste freuen.

Neben den ethischen und ökologischen Gründen, Lebensmittelverschwendung zu minimieren, gibt es auch wirtschaftliche Vorteile. Laut einer Studie der Universität Stuttgart gibt der durchschnittliche deutsche Haushalt im Jahr 940 Euro für Lebensmittel aus, die direkt in der Tonne landen. Insgesamt für ganz Deutschland ergibt das eine unglaubliche Summe von 21,6 Milliarden Euro. Lebensmittel nicht wegzuschmeißen lohnt sich also auch für die Geldbörse. 

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